08 Juni 2008

Eine armenische Hochzeit in Turkmenistan

Ich war in der letzten Woche auf einer armenischen Hochzeit in Turkmenistan eingeladen. Hier ein kurzer Bericht. Ich kam am Freitagmorgen an und hab dann erfahren, dass wir abends so eine Art Junggesellenabschied feiern werden. Ein paar Freunde vom Bräutigam - haben sich in seiner zukünftigen Wohnung getroffen und wir sind dann etwas essen und trinken gegangen. Anschließend sind wir bei ihm zu Hause (bei seinen Eltern) noch zum Karaoke eingetrudelt. Als wir ankamen, hat die Mutter erst einmal jede Menge Essen aufgefahren - mitten in der Nacht. Wir haben dann bis um 2 Uhr unseren Spaß gehabt und dabei etwas Wodka verputzt. Da um 10 Uhr die Hochzeit sein sollte, haben wir den armen Jungen dann ins Bett gehen lassen.

Wie gesagt waren wir 8 Stunden später wieder da - geschniegelt und gestriegelt, denn an dem Tag war der erster Teil der Hochzeit: Die standesamtliche Hochzeit. Wir waren also um 10 Uhr beim Bräutigam um ihn zur standesamtlichen Hochzeit abzuholen. Aber bevor es los ging, wurde erst einmal Essen aufgefahren. Zwei Tische voller warmer und kalter Speisen. Neben alkoholfreien Getränken wurde auch schon der erste Wodka getrunken um auf den Bräutigam Toast auszusprechen. Er selbst hat natürlich nicht mitgetrunken. Nach und nach wurde die Wohnung der Eltern voller Leute, die ganze Verwandtschaft trudelte ein und hat gegessen und schon etwas getanzt. besonders die Tanten und der Tamadar (eine Art Zeremonienmeister) waren ganz begeistert von mir, da ich ja extra den Weg aus Europa gemacht habe. Gegen 11:30 Uhr sind wir dann endlich los. Es ging mit einem Autotross zur Braut. Dort angekommen spielte draußen erst einmal eine kleine Musikantengruppe und es wurde die Verwandtschaft der Braut begrüßt und etwas getanzt. Nach einiger Zeit ging es dann ins Haus. Dort musste der Bräutigam erst mal seine Braut erobern. Sie war in ihrem Zimmer und die Tür wurde von den Geschwistern verteidigt. Jetzt hat der Bräutigam die Aufgabe die Tür aufzubekommen um seine Braut zu erreichen, dazu helfen ihm seine Freunde mit Bestechung der Verteidiger und mit Gewalt - natürlich ohne die Tür wirklich zu beschädigen. Das ist offensichtlich kein turkmenischer Brauch, sondern wohl ein armenischer. Als dann endlich Braut und Bräutigam vereint waren, wurden Fotos gemacht und es gab was zu essen. Diesmal aber nur ein paar süße Kleinigkeiten, mehrere Kuchen, Schokolade und Obst. Muss man auch nehmen, denn das soll Glück bringen.

Dann ging es endlich zum Standesamt. Dabei wird nicht brav und langsam im Konvoi gefahren wie bei uns, sondern alle Autos versuchen das Zweite hinter dem Brautpaar zu sein. Also wird mit einem Affenzahn durch die Straßen gerast und man drängt sich neben oder eben hinter das Brautauto. Die Straßen sind in der Regel breit genug, dass 4 Autos nebeneinander passen, also Platz genug für wildes Autogerangel. Da kann einem schon sehr mulmig werden. Ich habe mich dann sogar angeschnallt. Beim Standesamt ging es dann eigentlich ganz normal zu. Fotos, alle rein und das Brautpaar nimmt draußen Aufstellung. Nur dann wurde mir gesagt, dass ich doch bitte als Trauzeuge an der Seite der Braut bleiben soll.

Ich, Trauzeuge? Da war ich doch sehr überrascht, das hatte mir vorher niemand erzählt. Zum Glück hatte ich mich - wie sich das in Europa gehört - in Schale geworfen, also Anzug getragen. War bei 41 Grad zwar deutlich zu warm, machte optisch aber was her. Neben mir trugen noch ein Freund und der Bräutigam selbst einen Anzug, die anderen kamen im Hemd, teilweise ohne Krawatte, ein paar wenige sogar mit Jeans. Da hatten es die Frauen deutlich besser, alle waren richtig aufgestylt und das bedeutet, dass sie sehr luftig angezogen waren. Auf jeden Fall hatte ich Anzug an und köchelte vor mich hin und bin dann neben der Braut mit nach vorn, wir haben alle brav unterschrieben und dann wurden Ringe getauscht und fertig. Danach fleißig Fotos gemacht und noch einen kleinen Sektempfang. Eben alles wie bei uns auch.

Anschließend sind alle wieder auseinander gegangen, auch Braut und Bräutigam. Ein Teil der Verwandtschaft und Freunde des Bräutigams sind wieder zu seinen Eltern und dort gab es erst einmal was Ordentliches zu essen. Genau genommen Berge von warmen und kalten Speisen und dazu wurde geplaudert und getanzt. Um 18 Uhr ging es dann zur ersten Party. Das war die Party der Braut. Das ist hier interessanterweise getrennt, bedeutet aber nicht, dass nur die Brautangehörigen kommen. Auch die Verwandten und näheren Freunde des Bräutigams sind eingeladen. Also war ich auch dabei. Die Party fand in einem großen, geschmückten Saal statt mit geschätzten 200 Gästen. Es gab natürlich wieder viel zu essen und zu trinken und zwischendurch Ansprachen von Vater, Mutter, Oma, etc. Nach jeder kurzen Rede fordert der Zeremonienmeister zum Tanzen auf und die Tanzfläche wird gestürmt. Zu meiner Befriedigung bedeutet Tanzen hier aber keine klassischen Tänze, sondern einfach freudiges Rumgehüpfe und Rumgewirbel. Wenn Braut und Bräutigam mittanzen, dann wird denen von allen Seiten Geld zugesteckt, so dass sie mit vielen Geldscheinen in den Händen tanzen. Ein für unsere Augen sehr ungewöhnliches Bild.

Irgendwann musste auch ich nach vorne um einen kurzen Toast zu halten, da ich ja als Vertreter Europas anwesend war. :-)
Mein Toast wurde übersetzt und dann nebenbei vom Tamadar erwähnt, dass ich ja noch nicht verheiratet bin. Prompt war ich natürlich danach ein umschwärmter Junggeselle. Das hat mir geschmeichelt, zumal mir so etwas zu Hause nie passiert. Und ich kann zurecht sagen, dass die Turkmeninnen meistens sehr hübsch sind.

Um 23 Uhr war die Party zu Ende. Und dann kam das, was mich wirklich den Kopf schütteln ließ und mir zeigte, dass Traditionen eben nicht immer schön, sondern manchmal auch ganz schön grausam sein können. Braut und Bräutigam waren jetzt zwar offiziell verheiratet, aber eben nur auf dem Papier. Also ging jeder wieder - allein - zu seinen Eltern und seiner Familie nach Hause. Wir haben dann eben bei den Eltern des Bräutigams gesessen, wieder etwas zu essen bekommen und ein wenig getrunken. Und wieder ging das bis 2 Uhr morgens.

Am nächsten Tag kam der zweite Teil der Hochzeit, die kirchliche Trauung. Angenehmerweise fing das zu einer für meinen Geschmack menschenwürdigeren Zeit statt. Wir haben uns um 12 Uhr bei den Eltern des Bräutigams getroffen. Es gab wieder Tische voller warmer und kalter Speisen und es wurde getanzt. Später wurde die Braut bei ihren Eltern abgeholt und sie durfte noch einmal wie am Tag davor erobert werden. Auf der Fahrt zur Kirche gab es wieder die Autorangelei, die mich zum Einen um mein Leben fürchten ließ und mir zum Anderen die Frage aufdrängte, ob das vielleicht ein Weg ist die Anzahl der Hochzeitsgäste geringer zu halten.

An der Kirche angekommen, eine christliche Kirche, da Armenier ja mehrheitlich Christen sind, fiel mir auf, dass die Eltern der Braut und die Eltern des Bräutigams an der Zeremonie gar nicht teilnehmen. Auf meine Nachfrage hin wurde mir gesagt, dass die mit den Vorbereitungen der Party beschäftigt sind. Interessant; bei uns ist ja die kirchliche Trauung meistens der Hauptakt der gesamten Hochzeit. Bevor die Trauung begann, mussten wir leider draußen noch etwas warten. Und es war noch heißer als am Tag zuvor, deutlich über 40 Grad. Zwar meinten alle, dass es sehr heiß sei, aber es schien nicht zu stören. Irgendwie kam ich mir aber vor wie ein Brathähnchen im Backofen, schmorend im eigenen Saft. Kurz bevor die Haut dann endgültig knusprig wurde, ging es aber in die Kirche. Die Kirche war eine kleine, orthodoxe Kirche. Es gab keine Sitzplätze, alle mussten also alle stehen. Das Brautpaar stand im Eingang und der Priester hielt seine salbungsvollen Reden. Leider verstehe ich die Sprache immer noch nicht, aber er redete anscheinend deutlich mehr vom Glauben und von Gott, als von Vertrauen der Eheleute etc. wie es bei uns üblich ist. Der Glaube hier scheint deutlich strenger zu sein und einen höheren Stellenwert zu haben. Es wurden zwei richtige Kronen gereicht, die nachdem sie geküsst wurden, von den Trauzeugen über den Köpfen von Braut und Bräutigam gehalten wurden. Zum Glück war ich an diesem Tag nicht mehr Trauzeuge, denn eine Anstrengung hätte mir bei dieser Hitze bestimmt endgültig den Tod beschert. Leid tat mir die Trauzeugin, ein sehr hübsches, aber nicht durchtrainiertes Mädchen. Sie musste die Krone sehr lange über den Kopf der Braut halten und da sie auch nicht so groß ist, musste sie die Krone sehr hoch heben. Man sah ihr die Anstrengung an, wie sie die Arme wechselte und versuchte abzustützen. Aber was tut man nicht alles für seine Freunde. Insgesamt war das aber eine schöne Zeremonie.

Nach der Kirche haben wir kurz mein Geschenk einpacken lassen und sind dann nach einem kurzen Abstecher bei den Eltern des Bräutigams - natürlich wieder inklusive Bereitstellen von Essen - zur Party aufgebrochen. Die zweite große Party war die Party des Bräutigams. In einem großen Saal mit vielen Gästen und Live-Musik wurde gegessen, getanzt und Reden gehalten. Beim Tanzen wurde dem Brautpaar Geld zugesteckt. Also ähnlich wie am Tag zuvor. Mir persönlich gefiel dieses zweite Fest aber deutlich besser, da es viel ungezwungener und ausgelassener war. Auch dieses Fest war um 23 Uhr zu Ende. Dann endlich ist das neue Ehepaar zusammen in die neue, gemeinsame Wohnung gefahren und haben... naja, da war keiner mehr dabei. Es wurde nur erwartet, dass der Bräutigam am nächsten Morgen seine Mutter anruft und den Erfolg berichtet und sie daraufhin ein Geschenk an die Eltern der Braut schickt. Interessanterweise hatte die Braut die neue Wohnung vorher noch nie gesehen. Es ist also so, als ob der Bräutigam seiner Familie ein Nest gebaut hat und nun seine Angetraute ins neue Nest führt. Für uns junge Leute bedeutete das Ende der Party aber natürlich nicht das Ende des Feierns. Wir sind - wie in den letzten Tagen so oft - bei den Eltern unseres Freundes eingefallen, wurden wieder mit Essen bewirtet und haben ausgelassen noch ein paar Stunden gefeiert. Das Ende verschwimmt im Nebel des Alkohols.

Das klingt jetzt wohl so, als ob es eigentlich dauernd was zu Essen gab. Und es war auch so. Dabei ist es nicht so, als wenn es nur Kleinigkeiten gab. Es gibt immer reichlich Auswahl an warmen und kalten Speisen, kein Fast-Food, sondern sehr lecker. Es ist auch bei meinen sonstigen, privaten Einladungen in Turkmenistan stets so gewesen, dass es viele Gänge gibt und man höchstens ein Drittel aller Speisen aufessen kann - wenn man völlig ausgehungert wäre, was aber nie passiert. Das war bei der mehrtägigen Hochzeit noch extremer, da wurden schon mal mehrere Kuchen bereitgestellt, nur weil man 5 Minuten im Haus ist. Ich frag mich wie viele Leute wie lange in der Küche standen für die Bergen von Essen in diesen zwei Tagen.

Der Tag nach der Hochzeit war leider ein Montag und damit Arbeitstag. Um 8 Uhr rief mein Kollege an, um sich zu vergewissern, dass ich auch sicher in meinem Hotel angekommen bin. Erleichtert stellte er fest, dass ich zwar müde, aber klar im Kopf war. Und da ich weiß, dass man hier deutsche Tugenden wie Fleiß, Arbeitseifer und Pünktlichkeit sehr hoch einschätzt, war es natürlich selbstverständlich, dass ich um 10 Uhr angefangen habe zu arbeiten. Man sollte ja einen guten Ruf nicht unnötig aufs Spiel setzen. :-)

Das Ehepaar ist einen Tag später auf eine kleine Hochzeitsreise gefahren. Sie sind aber zwei Tage früher zurückgekommen und haben mich in der Nacht vor meinem Rückflug noch mal zu sich nach Hause eingeladen und es wurde bis spät gefeiert, so dass ich danach im Hotel duschen, packen und abreisen konnte. Jetzt sitze ich hier auf meinem Zwischenstopp im Flughafen Istanbul, wo es eine nette Lounge mit Notebook-Arbeitsplätzen und freien Internetzugang per WLAN gibt, und ich komme endlich dazu meinen Bericht über die Hochzeit zu schreiben. Und ich freue mich am morgigen Sonntag frei zu haben und zu Hause zu sein.